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Karl XII. sah sich gezwungen, seine Zuflucht bei den Türken zu suchen. Sein unversöhnlicher Haß blieb ihm auch in Bender treu. Vergeblich suchte er von dort aus durch seine Intrigen die Pforte gegen die Moskowiter aufzustacheln. So ward er das Opfer seines unbeugsamen Sinnes, der Verstocktheit hieße, wäre er nicht ein Held gewesen. Nach der Niederlage streckte das schwedische Heer am Ufer des Dnjeper die Waffen vor dem Zaren, wie das moskowitische Heer sie am Ostseeufer, nach der Schlacht bei Narwa, vor Karl XII. gestreckt hatte.

Als August von Sachsen seinen Gegner gestürzt sah, glaubte er sich seines Wortes und des Vertrags von Alt_Ranstädt ledig. Er besprach sich in Berlin mit dem König von Dänemark und Friedrich I., worauf er mit einem Heer wieder in Polen eindrang. Der König von Dänemark griff die Schweden in Schonen an. Friedrich I. ließ sich von den beiden Mächten nicht beirren, sondern blieb neutral.

In Polen wandten sich alle Anhänger der Schweden nun den Sachsen zu. Stanislaus war bei dem schwedischen Heer, das unter Krassows Befehl stand. Als der General sich von Moskowitern und Sachsen eingeschlossen sah, zog er durch die Neumark nach Stettin, ohne erst die Genehmigung Friedrichs I. einholen zu können, der solche Durchzüge und die Nachbarschaft so bedeutender Heere mit Verdruß sah.

Der König unternahm darauf eine Reise nach Königsberg und erlangte vom Zaren, der sich gleichfalls dorthin begab, die Zusage1, daß er den jungen Herzog von Kurland2, einen Neffen Friedrichs, wiedereinsetzen werde, vorausgesetzt, daß der Herzog die Nichte Peter Alexejewitschs3 heiratete.

Von seinen Truppen erhielt der König nur gute Nachrichten. Sie zeichneten sich in Flandern nicht minder aus als in Italien. Sie verrichteten unter dem Kommando des Grafen Lottum4 Wunder, in der Schlacht bei Oudenaarde wie bei der Belagerung von Lille (1708).

Die Franzosen waren durch den Mißerfolg ihrer Waffen, durch den Verlust von drei großen Feldschlachten hintereinander entmutigt und machten im Haag Friedensvorschläge (1709). Allein die Gärung der Geister war noch zu groß, Hoffnungen und Ansprüche beider Parteien gingen noch zu weit, als daß es möglich gewesen wäre, schon zu einer Einigung zu gelangen. Wären die Menschen der Vernunft zugänglich, wie würden sie dann wohl so lange erbitterte und beschwerliche Kriege führen, um früher oder später auf Friedensbedingungen zurückzukommen, die ihnen nur in den Augenblicken unerträglich erscheinen, wo die Leidenschaft sie beherrscht oder das Glück sie begünstigt?

Die Verbündeten eröffneten den Feldzug mit der Wegnahme von Tournai und der Schlacht bei Malplaquet5. Bei ihr war der preußische Kronprinz persönlich zu-


1 Die Zusammenkunft fand In Marienwerder im Oktober 1709 statt.

2 Herzog Friedrich Wilhelm (1698 — 1711), aus der Familie Kettler.

3 Anna Iwanowna. Seit 1711 verwitwete Herzogin von Kurland, bestieg sie 1730 den russischen Thron.

4 General der Infanterie Karl Philipp Reichsgraf von Wylich und Lottum.

5 11. September 1709.